Das Mahnmal am Wenzelnberg
Hier wurden am 13. April 1945
71 Menschen durch das Nazi-Regime ermordet
Am 10. April 1945 erschienen ein Kripobeamter und drei Mitglieder der Gestapo im Büro von Dr. Karl Engelhardt, dem Leiter des „Zuchthauses“ Remscheid-Lüttringhausen. Die Männer forderten die Insassen des Gefängnisses einer „sicherheits-polizeilichen Überprüfung“ zu unterziehen.
Dr. Engelhardt ging davon aus, dass er keinen der „überprüften“ Gefangenen jemals wiedersehen würde, was sich leider auf traurige Weise bewahrheitete.
In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs gingen Gestapo, SS und Teile der Wehrmachtsführung mit großer Brutalität gegen vermeintliche Bedrohungen vor. Dabei war die Lage längst verzweifelt und die Kapitulation Deutschlands eine Frage von Tagen, nachdem Amerikaner und Briten im März den Rhein überquert hatten. Trotzdem – oder gerade deswegen – begann die Gestapo schon im Februar hunderte ausländische Zwangsarbeiter, Regimegegner und Deserteure zu ermorden.
Am 7. April erließ zudem Feldmarschall Model, der die verbliebenen Truppen der Wehrmacht im Westen Deutschlands befehligte, einen Tagesbefehl: „Zuchthausgefangene, die in den innerhalb der vom Feind eingeschlossenen Gebiete befindlichen Strafanstalten einsitzen, (…) der Sicherheitspolizei zur sicherheitspolizeilichen Überprüfung zu übergeben.
Dies bedeutete, dass Sicherheitspolizei und Gestapo politischen Häftlinge, wie Sozialisten, bekennenden Christen, Antifaschisten und ausländische Staatsbürger ausfindig machen und ermorden sollten.
Dr. Engelhardt gab sich nach außen hin kooperativ, tat aber tatsächlich sein Möglichstes, um die Ausführung des Befehls zu verzögern. Es gelang ihm, die Anzahl der geforderten Häftlinge von anfangs 500 immer weiter zu reduzieren und die ausländischen Häftlinge zu schützen. Allen Bemühungen zum Trotz musste er am Ende 60 Häftlinge ausliefern.
In aller Frühe am Morgen des 13. April wurden die Gefangenen aus Lüttringhausen, gemeinsam mit weiteren 11 Männern aus Wuppertal zum Wenzelnberg gefahren. Die Lastwagen wurden durch ein starkes Polizeiaufgebot gesichert und Polizisten hatten auch die Schlucht am Wenzelnberg abgesperrt, wo Zwangsarbeiter eine große Grube gegraben hatten.
Die 71 Männer wurden paarweise an den Daumen zusammengebunden, an die Grube geführt und via Genickschuss ermordet. Anwohnern zu Folge – die man angewiesen hatte ihre Häuser nicht zu verlassen – berichteten später, dass man eine Stunde lang Schreie und Schüsse hörte.
Bereits am nächsten Tag, dem 14. April, besetzten Antifaschisten das Rathaus von Solingen und drei Tage später erreichten amerikanische Truppen die Stadt. Noch am selben Tag, dem 17. April, meldete ein Mann, der für Absperrmaßnahmen an der Mordstelle eingesetzt worden war, den Massenmord.
Am 27. April begannen Amerikaner und Antifaschisten mit der Aufklärung des Mordfalls. Die Leichen wurden zwangsweise von 40 örtlich bekannten Mitgliedern der NSDAP ausgegraben. Auf Anordnung der amerikanischen Besatzungsbehörde wurden die 71 Opfer vor dem Ohligser Rathaus aufgebahrt und beigesetzt. Auch die Bevölkerung musste an der Trauerfeier teilnehmen. So wollte man sicherstellen, dass niemand die Tat leugnen konnte.
Vor dem Rathaus blieben die Gräber bis 1965, als sie schließlich feierlich in die neue Gedenkstätte am Wenzelnberg überführt wurden.
Jährliches Gedenken
Zur Erinnerung an das Massaker an den 71 Gefangenen am 13. April 1945 richtete die damalige Einheitsgewerkschaft 1946 die erste Gedenkfeier am Wenzelnberg aus.
Bis 1965 lag die Ausrichtung dann in der Hand des Deutschen Gewerkschaftsbundes. 1965 bildeten die Städte Langenfeld, Leverkusen, Remscheid und Solingen, sowie der Rhein-Wupper-Kreis, die Bezirke Opladen/Leverkusen, Remscheid und Solingen des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Vereinigung Verfolgter des NaziRegimes (VVN) ein Kuratorium das für die Errichtung eines dauerhaften Mahnmals sorgte und bis 1970 die Gedenkfeiern ausrichtete.
Danach blieb es bei schlichten Kranzniederlegungen. Seit dieser Zeit führte der VVN-Bund der Antifaschisten stark beachtete eigene Gedenk-Kundgebungen am Mahnmal durch. Nach der kommunalen Neugliederung am 1. Januar 1975 übernahm die Stadt Langenfeld die Fürsorge für die Gedenkstätte und gestaltete dort öffentliche Feiern, seit 1977 mit Beteiligung der Städte Leverkusen, Remscheid und Solingen, sowie des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Im Jahr 1981 beschlossen die vier Städte, im Wechsel jährlich eine Gedenkfeier am Wenzelnberg auszurichten, immer mit der Absicht, die Gewissen der in der Region lebenden Menschen wach zu halten. Seit 1994 beteiligt sich die Stadt Wuppertal ebenfalls an diesen Gedenkfeiern. Im Jahr 2018 kam auch die Stadt Leichlingen als direkte Nachbarstadt zum Ort des Geschehens hinzu.
Informationen und Hintergründe
Unter den folgenden Links finden Sie weitere detaillierte Informationen zu den Geschehnissen am Wenzelnberg, die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte recherchiert und aufbereitet wurden und dazu
beitragen, die schrecklichen Morde in der Wenzelnbergschlucht auch für die nachfolgenden Generationen aufzuarbeiten.
Dazu gehört neben einer umfangreichen Publikation von Annelies Rejek auch die umfangreiche Nachforschung der Familie Röhrig, die in den Jahren 2018 und 2019 recherchierten, dass ihr am Wenzelnberg ermordeter Onkel, Großonkel und Urgroßonkel Paul Lisziun mehr als 70 Jahre lang mit einem falsch geschriebenen Namen unter den Opfern genannt war.
Publikation zu den Geschehnissen am Wenzelnberg - Zusammengestellt von Annelies Rejek
Recherche der Familie Röhrig zur richtigen Schreibweise des am Wenzelnberg ermordeten Paul Lisziun
Informationstafel mit der Chronik und der Liste der Namen der am Wenzelnberg Ermordeten